Überblick: Der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten
Der Pflichtteilsberechtigte ist über den Umfang des Nachlasses häufig im Unklaren. Selbst wenn er noch einen guten Kontakt zum Erblasser hatte, werden ihm nur selten alle Informationen vorliegen, die er zur Berechnung seines Pflichtteilsanspruches benötigt.
Anspruch auf privatschriftliche Auskunft
Der Gesetzgeber hat aus diesem Grund bereits mit Inkrafttreten des BGB im Jahr 1900 dem Pflichteilsberechtigten eine äußerst starke Möglichkeit an die Hand gegeben, die notwendigen Kenntnisse zu erlangen: Der Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB. Nach dieser Norm ist der Erbe verpflichtet, dem Pflichtteilsberechtigten „auf Verlangen über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen“, § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB. Das danach durch den Erben zu errichtende Nachlassverzeichnis muß ohne Ausnahme sämtliche Nachlassgegenstände umfassen. Dabei sind die Nachlassgegenstände so genau zu beschreiben, dass der Pflichtteilsberechtigte ein Vorstellung davon entwickeln kann, welchen Wert die Gegenstände haben (damit er hiernach seinen Pflichtteilsanspruch beziffern kann). Der Erbe schuldet jedoch nicht bereits ihm Rahmen des Auskunftsanspruches eine Wertermittlung. Denn der Wertermittlungsanspruch ist ein eigenständiger Anspruch den der Pflichtteilsberechtigte gesondert geltend machen muss und der unabhängig vom Auskunftsanspruch besteht.
Neben den Angaben zu den Nachlassgegenständen (realer Nachlass) schuldet der Erbe außerdem Angaben zu den Nachlassverbindlichkeiten, zum fiktiven Nachlass (jede Schenkung innerhalb der zehn Jahre, jede Schenkung an den Ehepartner, jede Zuwendung unter Nutzungsvorbehalt usw) und auch Angaben zu etwaigen Erbverzichtsverträgen, zum Güterstand des Erblassers uvm.
Auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten ist er bei der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses hinzuzuziehen, § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB.
Aufnahme des Nachlassverzeichnisses durch einen Notar
Selbst wenn der Erbe ein privatschriftliches Nachlassverzeichnis bereits errichtet hat, kann der Pflichtteilsberechtigte danach die Vorlage eines durch einen Notar errichteten Nachlassverzeichnisses verlangen, § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB. Dabei ist nicht etwas so, dass der Notar lediglich die Angaben des Erben unkritisch und ungeprüft übernehmen dürfte. Vielmehr errichtet der Notar selbst das Verzeichnis (er gibt also eine eigene Erklärung ab, er beurkundet nicht lediglich die Erklärung des Erben) und ist zu eigenen Ermittlungen verpflichtet.
Urteil des BGH vom 31. Oktober 2018 -IV ZR 313/17–
Reichweite der Verjährungshemmung einer Klage auf Auskunft
Macht der Pflichtteilsberechtigte im Rahmen einer sog. Stufenklage (§ 254 ZPO) zunächst -vor seinem Wertermittlungs- und Zahlungsanspruch- seinen Anspruch auf eine privatschriftliche Auskunft geltend, so war bislang offen, ob durch diese Klage auch die Verjährung des Anspruches auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses gehemmt war.
Der BGH hat diese Frage Ende Oktober entschieden (Urteil des BGH vom 31. Oktober 2018 -IV ZR 313/17-):
Eine Klage auf Erteilung der privatschriftlichen Auskunft nach § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB „hemmt grundsätzlich“ auch die Verjährung des Anspruches auf Erteilung eines von einem Notar gefertigten Nachlassverzeichnisses. Denn diese beiden Arten der Verzeichnisse sind nicht bloß „inhaltlichwesensgleich“ (BGH aaO, Rn. 22), sondern „die Auskunftsansprüche aus § 2314 Abs. 1 S. 1 und S. 3 BGB (sind) auch materiell-rechtlich wesensgleich“ (BGH aaO, Rn. 21).
Auswirkung für die Praxis
Für den Pflichtteilsberechtigten bedeutet diese Entscheidung eine weitere Stärkung seiner -schon zuvor sehr starken- rechtlichen Position. Denn er kann nun zunächst „in Ruhe“ den Erben gerichtlich auf Vorlage des privatschriftlichen Verzeichnisses in Anspruch nehmen und -nachdem er insoweit gewonnen hat und der Anspruch erfüllt ist- die Klage um den Anspruch auf Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses erweitern. Da das notarielle Nachlassverzeichnis das „stärkere Mittel“ ist, um an Auskünfte zu gelangen, war der Pflichtteilsberechtigte bislang gezwungen, bei Verjährungsgefahr die Klage von der Vorlage des privatschriftlichen Verzeichnisses auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses umzustellen, wenn er sich die Chance auf das notarielle Verzeichnis erhalten wollte.
Der Erbe hat demgegenüber in der Vergangenheit häufig „auf Zeit gespielt“, um die Möglichkeit zu erlangen, gegen den Anspruch auf Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses die Einrede der Verjährung erheben zu können.
Nach dieser Entscheidung des BGH kann sich der Pflichtteilsberechtigte noch mehr als bisher „entspannt zurücklehnen“ – und der Erbe hat eine weitere von den ohnehin raren Verteidigungsmöglichkeiten endgültig verloren.